Was kost‘ mein Anwalt?
- Oskar Schuur
- Jul 20, 2024
- 4 min read
Updated: Oct 9, 2024

Anwälte sind nicht billig. Wie viel ein Anwalt konkret kostet, ist eine Frage des Einzelfalls: Bei Rechtsanwälten gilt der Grundsatz des „freien Honorars“. Sie dürfen also in der Regel mit ihren Klienten frei vereinbaren, wie ihre Dienste zu bezahlen sind. Die häufigsten Möglichkeiten sind:
· Kostenvereinbarung nach Rechtsanwaltstarifsgesetz (RATG) im Zivilprozess und in bestimmten Strafverfahren: Das RATG legt für alle möglichen Leistungen eines Rechtsanwalts (Konferenz, Telefonat, Schriftsätze, Gerichtsverhandlungen, Briefe, …) bestimmte Preise fest. Der konkrete Preis einer rechtsanwaltlichen Leistung bestimmt sich (neben der Art der Leistung) nach dem „Streitwert“ – bei einem Schadenersatzanspruch in Höhe von € 5.000 wäre dieser etwa grundsätzlich (logischerweise) € 5.000. Das RATG enthält aber auch Sonderregeln zur Festlegung bestimmter Streitwerte.
Z.B.: Alle „Ehesachen“ sind laut RATG mit € 6.000 zu bewerten. Der Streitwert nach RATG beträgt also € 6.000. Eine Scheidungsklage kostet somit laut Tarifpost 3A des RATG € 173,50. Eine Berufung gegen das Urteil aus dem Scheidungsverfahren würde € 216,70 kosten usw.
Kostenvereinbarung nach RATG macht für Anwälte besonders bei hohen Streitwerten Sinn. Dann ist der Verdienst nach RATG nämlich meist höher, als bei Abrechnung nach Stundensatz rauskommen würde.
· Kostenvereinbarung nach Stundensatz: Für jede Stunde, die der Rechtsanwalt einen Fall bearbeitet, ist ihm eine bestimmte Menge Geld zu zahlen. Natürlich kann auch in anderen Zeiteinheiten, etwa pro begonnener halber Stunde etc. gerechnet werden – die Honorarvereinbarung ist frei.
· Pauschalvereinbarung: Wie der Name schon sagt – für alle Leistungen des Anwalts in einem bestimmten Fall ist ein pauschaler Betrag zu zahlen. Dies ist somit die ungenaueste Preisberechnungsmethode, weil oft im Vorhinein schwer abschätzbar ist, wie aufwändig das Verfahren sein wird. Oft zahlt der Klient also zu viel, oder der Anwalt verdient zu wenig.
Wichtig dabei ist, dass das Gericht bei der Kostenverteilung nach dem Prozess nur gemäß dem RATG rechnet. Wer also nach einem Prozessgewinn all seine Kosten ersetzt bekommt, aber eine Stundensatz- oder Pauschalvereinbarung mit seinem Anwalt abgeschlossen hat, bleibt unter Umständen auf einem Differenzbetrag sitzen, wenn die Stunden- oder Pauschalvereinbarung teurer ist als der Verdienst nach RATG.
Z.B.: Max Mustermann und seine Anwältin Mag. Adelheid Advocata schließen eine Kostenvereinbarung zu einem Stundensatz von € 350,00. Nach Ende des gewonnenen Verfahrens wird abgerechnet. Adelheid hat den Fall insgesamt (vor Gericht, beim Schreiben der Klage, …) sechs Stunden bearbeitet. Laut der Stundenvereinbarung hat sich Adelheid somit € 2.100 verdient. Nach RATG wäre Adelheid aber nur mit € 1.700 zu entlohnen gewesen. Diese € 1.700 spricht das Gericht der Adelheid zu. Zu bezahlen sind sie vom Prozessgegner, da er verloren hat. Die restlichen € 400 muss Max daher selbst bezahlen.
Ist das Gegenteil der Fall, ist also der Verdienst nach RATG höher als der aus einer anderweitigen Vereinbarung mit dem Klienten, vereinbaren Anwälte mit ihren Klienten oft, dass diese positive Differenz dem Anwalt zukommt.
Z.B.: Wie oben, nur stehen Adelheid diesmal nach RATG € 2.500 zu. Diese werden wieder vom Gericht zugesprochen, der Verlierer des Prozesses hat sie zu bezahlen. Als kluge Anwältin wird Adelheid im Voraus mit Max vereinbart haben, dass ihr diese Differenz zukommt. Der Prozessgegner bezahlt also €2.500 an Adelheid. Diese muss aber dank der Vereinbarung nicht € 400 an Max weitergeben, nur weil dieser laut Stundensatzvereinbarung nur € 2.100 zu zahlen gehabt hätte. Das ist für Max an sich auch nicht weiter problematisch. Er muss ja selber keine € 2.100 an Adelheid bezahlen, da ihre Kosten bereits durch den Prozessgegner ersetzt wurden.
Aus allem oben gesagten ergibt sich vor allem eines: Anwälte können sehr viel kosten. Es empfiehlt sich daher für viele, eine Rechtsschutzversicherung (und eine Haushalts-Haftpflichtversicherung) abzuschließen. So bleibt man nicht auf hohen Kosten der Anwälte und des Gerichtsverfahrens sitzen. Nach dem Verlust eines Prozesses wegen einem Fahrradunfall bezahlt dann z.B. die Haftpflichtversicherung die Fahrradreparaturkosten, das Schmerzengeld, … des Gegners und die Rechtsschutzversicherung bezahlt die Anwalts- und sonstigen Gerichtskosten. Versicherungsprämien sind nicht immer günstig. Sie vermeiden aber, nach einem verlorenen Prozess plötzlich Schulden in Höhe von tausenden Euro zu haben. Praktisch nützlich sind insbesondere Rechtsschutzversicherungen, in denen „Rechtsberatung“ inkludiert ist. Dies ermöglicht einen kostenlosen Termin beim Anwalt, wo man sein Anliegen vorbringen und Fragen stellen kann, um zu klären, ob sich im jeweiligen Fall überhaupt etwas rechtlich machen lässt. Selbstverständlich steigen Rechtsschutzversicherungen aber fast immer in bestimmten Rechtsgebieten aus, die erfahrungsgemäß lange, riskante Prozesse mit hohen Streitwerten nach sich ziehen. So wird kaum eine Rechtsschutzversicherung Gerichtsprozesse decken, die Streitigkeiten über Grundstücke (teuer! à hoher Streitwert) betreffen. Ebenso lang, teuer und riskant können etwa Prozesse wegen Arzthaftung sein. In concreto kann man sich mit der Rechtsschutzversicherung ausmachen, was gedeckt wird und was nicht. Je riskantere und kostspieligere Rechtsgebiete gedeckt werden, desto höher ist die Prämie.
Ähnlich wie eine Rechtsschutzversicherung funktioniert in arbeitsrechtlichen Gerichtsverfahren der Rechtsschutz der Arbeiterkammer. Dieser wird – je nach Erfolgsaussicht für das anstehende Verfahren – in drei Stufen gewährt. „Rechtsschutz 1“ ist dabei die stärkste, „Rechtsschutz 3“ die schwächste. Für diese „Rechtsschutzversicherung“ fallen dem Arbeitnehmer, der fast immer AK-Pflichtmitglied ist, keine zusätzlichen Kosten an. Dies ermöglicht es dem gegenüber dem Arbeitgeber oft wirtschaftlich schwächer stehenden Arbeitnehmer, ohne großes Kostenrisiko seine Rechte gegen den (ehemaligen) Arbeitgeber durchzusetzen.
Ebenso zu erwähnen ist noch die „Verfahrenshilfe“. Wer sich keinen Anwalt leisten kann, kann unter bestimmten Voraussetzungen einen gratis zur Verfügung gestellt bekommen. Besonders häufig ist dies in Strafverfahren. Möglich ist die Gewährung von Verfahrenshilfe aber auch in Zivilprozessen.
Hoffentlich muss es bei dir nie so weit kommen, dass du einen Anwalt brauchst. Falls das aber doch nötig werden sollte, kannst du dir jetzt hoffentlich besser vorstellen, was es kostet und was du beachten musst – oder du schließt einfach eine Rechtsschutzversicherung ab.
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