AGBs akzeptieren oder nicht?
- Oskar Schuur

- Jun 21, 2024
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Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Keine Sorge, trotz des Titels wird diese Seite nicht aus hunderten Zeilen kleinstgedruckten langen, unverständlichen Schachtelsätzen bestehen… zumindest hoffentlich, dieser Text ist schließlich trotz allem ein juristisches Werk. Wir wollen hier aber nur erklären, was allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) überhaupt sind, wann sie gültig sind (oder nicht) und auch was passiert, wenn man sie nicht liest und trotzdem „akzeptieren“ ankreuzt.
AGB sind „vorformulierte Vertragsbedingungen“. Sie werden also nicht zwischen dem Unternehmen, das die AGB verwendet und jedem einzelnen Kunden neu ausgehandelt. Stattdessen werden sie, obwohl sie vom Unternehmen schon im Voraus für alle Verträge mit Kunden erstellt werden Bestandteil eines (de facto) jeden Vertrags, welcher mit Kunden geschlossen wird. Das ist für Unternehmen vorteilhaft, da sie mit wenig organisatorischer Mühe ihre vertraglichen Beziehungen zu den Kunden „streamlinen“ können – und dies meist auf eine für sie rechtlich günstige Weise. Die Alternative wäre, mit jedem Kunden einzeln die Vertragsbedingungen auszuhandeln, was in der Praxis für große Unternehmen undenkbar und unzumutbar wäre. Man stelle sich nur die absurde Situation vor, vor dem „Kauf“ eines Spotify-Abos oder der Bestellung einer Pizza auf Foodora jedes vertragliche Nebendetail per Gespräch oder schriftlich ausmachen zu müssen. Schnell wird klar, dass AGB für den schnellen und effizienten Lauf der Dinge im Handel unerlässlich sind.
AGB sind aber in rechtlicher Hinsicht nicht unproblematisch: Wie erwähnt werden AGB vorformuliert. In aller Regel ist das Akzeptieren der AGB auch eine unumgängliche Voraussetzung zum Vertragsschluss mit dem Unternehmen: Wer das berüchtigte kleine Kasterl unten auf der Webseite nicht ankreuzt, kann kein ÖBB-Ticket kaufen, kein Essen bestellen, … Damit wird dem Kunden aber seine Möglichkeit, den jeweiligen Vertrag mit dem Unternehmen nach seinem Willen auszugestalten genommen. Schließlich sind ja alle Details des Vertrags bereits durch die AGB festgelegt. Im Juristendeutsch nennt man dies die „verdünnte Willensfreiheit“ desjenigen, der die AGB zu akzeptieren hat.
AGB sind daher im Streitfall vom Gericht streng rechtlich zu kontrollieren, bevor von ihrer gänzlichen Gültigkeit im jeweiligen Fall ausgegangen werden kann. Schließlich können AGB missbraucht werden, um dem Kunden unfaire Vertragsbedingungen aufzuzwingen. Dieses Prüfungsverfahren ist mühselige Detail- und Einzelfallarbeit, sorgt aber für etwas mehr Fairness im System der AGBs.
Der erste schritt der AGB-Prüfung ist die Einbeziehungskontrolle. Hierbei wird geprüft, ob die AGB überhaupt Teil des Vertrags zwischen Unternehmen und Kunde wurden. Vertragsbestandteil kann etwas nur dann werden, wenn sich die Vertragsparteien darauf einigen. Dies muss nicht immer ausdrücklich durch Zustimmung zur Verwendung von AGB durch Ankreuzen eines entsprechenden Kästchens o.ä. passieren. Möglich ist auch die stillschweigende Einigung über die Verwendung von AGB – etwa, wenn AGB in Verkaufsräumen gut sichtbar ausgehängt sind, der Kunde die Möglichkeit hat, sich die AGB anzusehen und trotz all dem den Vertrag schließt. Hiermit wird aber schon angedeutet, dass man sich nicht zwingend die AGB durchgelesen haben muss, damit sie Vertragsbestandteil werden. So etwas machen auch nur die allerwenigsten, auch Juristen lesen keine AGB. Wer die Möglichkeit hatte, vor Vertragsschluss die AGB durchzulesen, dies nicht tat und trotzdem den Vertrag schließt, akzeptiert diese sozusagen „blind“. Die AGB werden Vertragsbestandteil.
Beispiel: Der Student Oliver möchte sich über Foodora Abendessen nach Hause liefern lassen. Nachdem er seine Essensauswahl getätigt hat möchte er bezahlen, muss aber vorher ein Kästchen anhaken, neben dem folgender Text steht: „Ich habe die allgemeinen Geschäftsbedingungen gelesen und erkläre mich damit einverstanden.“ Würde Oliver auf den unterstrichenen Teil des Textes klicken, könnte er die AGB durchlesen. Er tut dies nicht. Die AGB werden durch das „blinde“ Akzeptieren durch Oliver Vertragbestandteil.
Ganz wichtig ist hierbei aber, dass die Möglichkeit zum Einsehen der AGB vor Vertragsschluss gegeben sein muss. Ein „Nachschieben“ oder schwere Auffindbarkeit der AGB ist unzulässig und führt zu deren Unwirksamkeit. In der Praxis kommt dies zum Beispiel vor, wenn Unternehmen ihre AGB nur auf die Rückseite der Rechnung drucken oder in den tiefen ihrer Homepage „verstecken“.
Schritt zwei ist die Geltungskontrolle. Hier wird nicht auf die AGB also solche geschaut, sondern ihre einzelnen Bestandteile – die jeweiligen Vertragsklauseln. Ist eine Klausel für den Kunden benachteiligend, inhaltlich ungewöhnlich und überraschend, ist sie nicht gültig. Sie ist somit als einzelne Klausel nicht wirksam teil des Vertrags geworden. Durch diese Prüfung werden also Klauseln „ausgesiebt“, die dem Kunden Rechte nehmen, die er laut dispositivem Recht[1] hätte und die in einem solchen Vertrag/solchen AGB normalerweise nicht zu erwarten wären. Eine benachteiligende Klausel kann diese Prüfung aber „überleben“, wenn sie deutlich hervorgehoben ist (zB durch Fettdruck) – dann ist sie nämlich nicht mehr überraschend.
Der letzte Schritt ist die sogenannte Inhaltskontrolle. Hier wird genau auf den Inhalt der Klausel geschaut – ob sie überraschend ist oder nicht, ist egal. Wenn eine Klausel den Kunden gröblich benachteiligt, ist sie nichtig. Sie wird nicht Teil des Vertrages, das Unternehmen kann sich nicht auf Rechte aus dieser Klausel berufen. Ob eine Klausel gröblich benachteiligend ist oder nicht ist oft eine schwere Frage. Den Gerichten wird bei der Beantwortung dieser Frage nicht nur vom Gesetz geholfen, sondern auch durch eine Vielzahl von Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, welche konkrete Klauseln als zulässig oder unzulässig bezeichnen.
[1] Recht, das zwar so im Gesetz steht, von dem man aber grundsätzlich durch Vertrag abweichen kann.




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